11. Dezember 2022

Am HGÖ zu Besuch: Ben Salomo

Ben Salomo:

Der Kampf gegen Antisemitismus gilt noch lange nicht als gewonnen

Ein Artikel von Max Hohenreuther, Klasse 11a

Am Donnerstag, den 24.11.2022, fanden sich in etwa 90 Schüler, bestehend aus der Klassenstufe 11 und einigen Kursstüflern, mit ihren Lehrkräften in der Gymnasiumhalle wieder, um dem Vortrag Ben Salomos über Antisemitismus zu lauschen. 

Eine Vorahnung, wie aufreißend und mitnehmend der Vortrag in den kommenden 100 Minuten sein würde, hatte der Großteil der Zuhörerschaft nicht.  

Ben Salomo oder Jonathan Kalmanovich, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, war kurz nach der Jahrtausendwende bis zu seinem Ausstieg Mitte 2018 eine bekannte Persönlichkeit in der Rapszene. 

Durch populäre Formate, wie etwa seine selbst kreierte und sehr erfolgreiche Videoreihe „RapAmMittwoch“ (RAM), in welcher er heutzutage bekannten Rappern wie beispielsweise „Capital Bra“ zu Ruhm und Ehre verholfen hat, gelang auch er selbst zu Aufmerksamkeit und Verehrern. 

Folglich lies der Ex-Rapper einige Fanherzen höher schlagen, als er an diesem Donnerstagmorgen vor den Schülern am Hohenlohe-Gymnasium-Öhringen stand.

Geboren in der Nähe von Tel Aviv, verbrachte er dort die ersten vier Jahre seines jungen Lebens in Israel. Einige Zeit später entschlossen sich seine Eltern, es den Großeltern Jonathans gleichzutun und nach Berlin, Deutschland, auszuwandern. Seine Familie gehört dem jüdischen Glauben an, was ihm damals, wie er uns schilderte, sogar schon die Kindheit in Deutschland erschwerte: 

Sein bester Freund kündigte ihm mit elf Jahren die Freundschaft, als er beiläufig erfuhr, dass Jonathan ein Jude sei. Am Tag darauf wurde der junge Ben Salomo von seinem ehemals besten Freund und zwei unbekannten älteren Jungen verhauen. „Solche Erlebnisse prägen einen“- so der heute 45-jährige.

Während des Vortrags kommen mehrere solcher Kindheitserlebnisse seinerseits zur Sprache:

Von angsteinjagenden Holocaustanspielungen bis zu unsolidarischem Verhalten seiner Freunde bei Diskriminierungsvorfällen aufgrund seines Glaubens musste Ben Salomo in seiner Kindheit und Jugend so einiges verkraften. Halt habe er in der Lyrik und Poesie gefunden. 

Das eigenständige Schreiben half ihm, seine teils traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten und mit ihnen abzuschließen. Durch das Schreiben gelang er letztlich auch zum Rap; Was heute kaum mehr aus der Musikgeschichte wegzudenken ist, war Anfang der zweitausender in Deutschland noch ein Fremdwort. Wer sich offen zu seinem damals ungewöhnlichen Musikkonsum bekannte, galt oft als komisch und wurde als Außenseiter abgestempelt. Die Videoplattform YouTube, die zu dieser Zeit noch hauptsächlich aus Katzenvideos und dilettantischen Erstaufnahmen von Handys bestand, machte Ben Salomo zu seiner Bühne: 

Was mit amateurhaften „Rapbattles“ unter Freunden anfing, schauten sich mit der Zeit immer mehr Menschen an. „RapAmMittwoch“, kurz: „RAM“, war geboren. Mit den steigenden Aufrufen stiegen auch gleichzeitig die Abonnements seines Kanals und somit wurde Jonathan Kalmanovich eine prägende Persönlichkeit für die deutsche Rapszene. 

Mit dem wachsenden Bekanntheitsgrad wuchs natürlich auch seine Kontaktliste bekannter Rappersönlichkeiten, die ihm einen Einblick hinter die Kulissen dieses Musikgenres boten.

Berühmte Rapper, deren Songs er zuvor nur auf diversen Musikplattformen hörte, standen nun hautnah vor ihm. Je besser er diese Persönlichkeiten jedoch kennenlernte, desto eher erfuhr er am eigenem Leib die Diskriminierung von Minderheiten, die diese Rapper akzeptierten, tolerierten und teils selbst ausübten. Darunter auch die Diskriminierung von Anhängern des jüdischen Glaubens. 

Mehrmals wurde dem gebürtigen Israeli zu verstehen gegeben, dass er hier, in dieser Szene, nicht unbedingt erwünscht sei. Sogar der im Rap sehr bekannte Arafat äußerte sich in einem Interview öffentlich: Du musst dir vorstellen, gerade im Rapbusiness, da brauchen wir uns nicht anlügen, wenn er jetzt ankommt und sagt ich bin Jude, da ist er schon fast unten durch

Im Laufe des Vortrags präsentierte uns der heute zweifache Familienvater, dass das Thema Antisemitismus und allgemeine Gewalt im Rap noch viel tiefgreifender ist, als man glauben mag. Rapper interagieren bewusst mit Anhängern islamistischer Terrorgruppierungen und finanzieren diese sogar teils mit. Sie tragen Schale und andere Kleidungsstücke in ihren Musikvideos, die mit Terror assoziiert werden und diesen verharmlosen. Die Musiker sympathisieren im Dunkeln bewusst und ohne Scham mit diesen Terroristen. 

Der Ex-Rapper ist überzeugt: Wer Deutschrap hört, sollte sich im Klaren sein, was dahinter stecktNahezu jeder Rapper ist in diese Geschehnisse involviert oder weiß zumindest von diesen und akzeptiert sie. 

Das alles sind Musiker, die aus der deutschen Musikgeschichte kaum mehr wegzudenken sind! Ein Phänomen, das viel zu selten thematisiert wird und der breiten Masse noch unbekannt ist.

Das nahm sich Ben Salomo zu Herzen; er wollte diese Tatsache nicht wahrhaben und versuchte deshalb, ein Zeichen gegen Antisemitismus mit seinem Album „Es gibt nur einen“ zu setzen. Mit diesem Album bekannte er sich offen als Jude und verurteilte die Toleranz des Antisemitismus im Deutschrap und in der Gesellschaft im Allgemeinen. 

Die Resonanz war nur leider nicht so, wie erwünscht. Menschen, von denen er sich Solidarität und Beistand erhofft hatte, kehrten ihm den Rücken oder schwiegen das Thema tot. Der Vollzeitrapper war erschüttert.

Er wollte den Lauf der Dinge nicht einfach hinnehmen und entschied sich für einen noch viel größeren Schritt. Einen Schritt, der ihm selbst wohl am meisten schmerzte: Das Löschen seines Kanals „RapAmMittwoch“ und seinen damit einhergehenden Ausstieg aus dem Rapgeschäft. 

Das, wofür und wovon er lebte, sein „Baby“, wie er es selbst nennt. Ben Salomo sah keinen anderen Ausweg und entschloss sich, anderweitig gegen den Antisemitismus auszusprechen. 

Heute besucht er hauptsächlich Schulen, damit er die breite Zielgruppe der Rapmusik anspricht. 

Seine Intention dahinter ist es, die Schüler aufzuklären und ihnen Fakten zu nennen, die hauptsächlich aus Eigenrecherche hervorgehen. Ben Salomo möchte die Wahrheit. Allein in Deutschland besuchte er bereits über 500 Schulen, das Feedback war nur leider nicht immer nach seinen Wünschen. Die Reaktion einiger Schüler und Lehrkräfte von anderen Schulen zeigt leider, wie tief verankert der Antisemitismus noch heute in der Gesellschaft ist. Dies macht deutlich, wie wichtig seine Arbeit an Schulen ist. Auch heute noch ist er mit Antisemitismus konfrontiert und das wird sich voraussichtlich auch noch eine Weile ziehen. 

Trotzdem stellen seine edukativen Beiträge einen Erfolg dar. 

Antisemitismus beruht häufig auf Unwissenheit“ ~Ben Salomo 

Ben Salomo will Präsenz zeigen und über die sensible Thematik aufklären:

Ein Jeder, der über den Holocaust und den damit einhergehenden Antisemitismus unterrichtet wird, macht sich über die unverzeihlichen begangenen Taten Gedanken und verdrängt sie damit nicht. 

Die Massentötung der 6 Millionen Juden und der in der Geschichte tief verwurzelte Antisemitismus sind grausame Geschehnisse. Damit Derartiges nicht wiederkehrt, muss dieses Thema aktiv, sei es im Unterricht oder besser auf außerunterrichtlichen Veranstaltungen, behandelt werden, damit diese nicht in Vergessenheit geraten und somit Gefahr laufen, wieder aufzutreten. 

Aktuell ist in Planung, den Vortrag Ben Salomos als jährliches Event an unserer Schule willkommen zu heißen. Zusätzlich darf sich das HGÖ seit 2020 als „SCORA“ ( —> Schools Opposing Antisemitism and Racism) Schule betiteln. Damit diese Bezeichnung aber Aussagekraft an unserer Schule besitzt, ist es die Aufgabe eines Jeden, gegen Antisemitismus aktiv vorzugehen und diesem abzuschwören, damit sich die Geschichte Ben Salomos nicht unnötig wiederholen muss.

Tipp der Redaktion: Falls ihr euch noch mehr über das Thema Antisemitismus belesen wollt könnt ihr gerne Ben Salomo (@bensalomo.official) auf ​​​​Instagram folgen. In seinen Liedern könnt ihr zusätzlich mehr über seine persönliche Geschichte und seinen Leidensweg erfahren.

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