28. Juli 2023

Lernen fürs Leben

Mit „Schule als Staat“ endet das Schuljahr am Hohenlohe-Gymnasium

Artikel aus der Hohenloher Zeitung vom 20.07.2023

Von Yvonne Tscherwitschke

Der ganze C-Bau des HGÖ riecht nach Waffeln. Nichts Ungewöhnliches an den letzten Tagen vor den Ferien. Ungewöhnlich aber ist, dass nicht im Klassenverband gebacken und Filme geschaut wird, sondern sich das ganze Gelände rund um den C-Bau in eine kleine Stadt verwandelt hat. Mit Parlament, Bundestagssitzungen, mit der Wöhrttemberger Zentralbank, mit Casino, Kunstfälscherwerkstatt, Second-Hand-Shop, Polizei, Pizzahaus und mehr. Eingeteilt in zwei Schichten, leben die rund 1200 HGÖ-Schüler in ihrer Stadt, arbeiten, beschließen Gesetze, verdienen Geld und geben es in einem der vielen Cafés und sonstigen Vergnügungsstätten auch gerne wieder aus.

Am gestrigen Mittwoch waren besonders viele Gäste auf dem Schulgelände: Beim „Staatsempfang“ machte sich der Öhringer Gemeinderat, angeführt von OB Thilo Michler, ein Bild vom Leben in Wöhrttemberg. Auch Landrat Matthias Neth und Bernd Kaufmann, Vorsitzender der Sparkasse Hohenlohekreis, waren unter den Gästen.

Bundeskanzler Matteo Haag führte den Besuch über das Areal und erklärte, wie die Idee für „Schule als Staat“ (durch ihn) ans HGÖ kam und wie er in Schulleiter und amtierendem Staatssekretär Frank Schuhmacher sofort einen Verbündeten gefunden hatte. Schuhmacher hatte bereits an seiner früheren Schule dreimal „Schule als Staat“ miterlebt und hofft, dass es in etwa fünf Jahren erneut am HGÖ stattfinden kann, „damit alle Schüler wenigstens einmal in ihrer Schulzeit an dem Experiment teilhaben können“.

Verdient „Es läuft“, erklärt Vizekanzler Luca Schulz. Am ersten Tag habe es etwas Reibungsverluste gegeben, weil den Schülern nicht ganz klar war, wo sie ihr verdientes Geld bekommen und wie alles läuft. „Wir fragen jeden Morgen ab, wie es gefällt. Und heute waren alle Daumen oben“, berichtet er vom Spaß der Schüler. „Die lernen hier mehr in einer Woche als in einem ganzen Schuljahr“, urteilen die Gäste.

Lehrerin Britta Hinkelmann schildert, wie sie mit Schülern die Eventagentur führt, dass ein Quittungsblock gekauft wurde und seither alle Bezahlungen dokumentiert werden. Die Agentur richtet den Empfang aus, lässt Schnittchen servieren, hat für Musik durch Elias, Lara und Jule gesorgt und veranstaltet auch Hochzeiten und andere Feste. „Da beauftragen wir dann Restaurants und andere Unternehmen“, berichtet Britta Hinkelmann.

Mit dem Wahlversprechen der Dönerpreisbremse habe die Aldi-Partei gesiegt, erklärt Kanzler Matteo Haag. Doch gerade beim Döner, der auf dem Gelände Döhner heißt, sieht man den Stand der Inflation. Die hat Staatssekretär Frank Schuhmacher schon vor Beginn des Spiels für den dritten Tag vorhergesagt – und Recht behalten. „Es haben etliche so viel im Casino gewonnen, dass viel Geld im Umlauf ist und die sogar gefragt haben, ob sie ihre Arbeitsstelle kündigen können“, verrät Schuhmacher. Aber auch die Abgeordneten verdienen nach Ansicht der Bürger zu viel. Deshalb wurde eine Petition gestartet, um das zu ändern. Der Bundestag, der in der Sporthalle tagt, stimmt darüber ab.

Gelernt „Die Schüler lernen hier Demokratie und wirtschaftliches Denken“, sagt Matteo Haag. Und sie haben Spaß. Egal, ob wie Maya in der Teigwerkstatt („Wir machen riesige Mengen mit 20 Eiern“) oder wie Magnus bei der Maltherapie („Ich hab viele Probleme, ich kenne sie nur nicht“) oder Xenia beim Tattoos malen. Alle haben Vergnügen beim Geld verdienen und ausgeben, ob für Schmuck, Essen, Fitnessstudio, einen Besuch bei der Wahrsagerin oder eine Fahrt durch die – mit viel Aufwand gemachte – Geisterbahn. Und manches ist wie im richtigen Leben: „Es macht Spaß“, berichtet Elisabeth aus der Zeitungsredaktion. „Es ist cool“, unterstreicht Shannon. „Aber es ist auch stressig“, hat Dennis erfahren. „Wir machen jeden Tag eine Zeitung.“

Beim Staatsbesuch waren alle Bürger vor der Bühne versammelt. Bis Freitag dauert das Projekt „Schule als Staat“ am HGÖ noch an.
Fotos: Yvonne Tscherwitschke
Alles auf schwarz gesetzt
und verloren hat OB Thilo
Michler im Casino.
Bei der Bundestagssitzung von Wöhrttemberg wird
abgestimmt, wie hoch Steuern, der Mindestlohn und
auch der Verdienst der Abgeordneten ausfallen.
In der Teigwerkstatt werden Schüsseln gegen Geld
getauscht.

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