23. Juli 2018

Aktionstag gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus

Das HGÖ ist bunt – Von Regina Koppenhöfer

Artikel aus der Hz 23.07.2018

Eva Diem (Mitte) begleitete die Gymnasiasten zu Stolpersteinen und erzählte dabei von den jüdischen Bürgern, die einst in Öhringen lebten. Fotos: Regina Koppenhöfer

Ich finde, man darf keinen hassen, nur weil er anders ist“, betont Luca (16). „Und ich finde es wichtig, dass wir uns mit dem Thema Rassismus beschäftigen, Bescheid wissen und dass wir uns auch dagegen einsetzen“, unterstreicht Chiara (15). Luca und Chiara sind Zehntklässler am Hohenlohe-Gymnasium Öhringen (HGÖ). Am Donnerstag nahmen die beiden Gymnasiasten – ebenso wie auch die anderen Schüler des HGÖ – an einem Schulaktionstag teil. Der fand unter dem Titel „Gegen Ausgrenzung, Diskriminier ung und Rassismus – das HGÖ ist bunt“ statt. Zahlreiche Referenten hatte man zu dem Aktionstag eingeladen.

Zu Gast bei der 10 e sind an diesem Tag Hubert Sauthoff sowie Eva und Frieder Diem. Alle sind Mitglieder des Arbeitskreises ehemalige Synagoge/ regionale Arbeitsgruppe Hohenlohe-Franken im Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“. Sauthoff und das Ehepaar Diem sprechen an diesem Vormittag mit den jungen Leuten unter anderem über Begriffe wie Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit.

Sorge

Hubert Sauthoff kommt als erster der drei Referenten mit den Schülern ins Gespräch. Nachdrücklich unterstreicht er: „Wir sind der Meinung, dass die Demokratie die größtmögliche Freiheit für ein Indi- viduum gewährleistet.“ Mit Sorge betrachtet Sauthoff aktuelle politische Strömungen in Deutschland, deren Merkmal etwa auch „das Schüren von Angst ist.“ Hubert Sauthoff: „Politik mit Emotionen gefährdet oft die Demokratie.“ Angesichts dieser Entwicklung legte er den jungen Leuten ans Herz, sich nicht einseitig und nicht ausschließlich übers Internet zu informieren. „Ich bitte euch dringend, benutzt auch andere Medien, guckt Tagesschau, lest Zeitung, geht nicht nur über eine Schiene.“

Wie die Nationalsozialisten seinerzeit Demokratie und Menschenrechte aushebelten, darüber sprachen Frieder und Eva Diem mit den Schülern. Frieder Diem gelang es, einen knappen geschichtlichen Abriss von 1933 bis 1945 und darüber hinaus zu geben. Gemeinsam mit dem Referenten machten sich die Gymnasiasten auch Gedanken über NS-Vokabular, beispielsweise den Begriff Rassenlehre. Eva Diem nahm die 21 Mädchen und Jungen mit auf einen Gang durch Öhringen. An Stolpersteinen der Familien Levi, Kocherthaler und Thalheimer und in der ehemaligen Synagoge berichtete sie vom Leben jüdischer Bürger in Öhringen.

„Ich finde, man darf keinen hassen, nur weil er anders ist.“

Luca, Zehntklässler

Nachdenken

Was die jungen Leute an diesem Vormittag von Eva und Frieder Diem und von Hubert Sauthoff erfahren, stimmt die Schüler nachdenklich. „Ich bin froh, dass wir heute etwas über die jüdischen Bür- ger Öhringens erfahren. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass solche Dinge, wie sie früher im Nationalso- zialismus geschehen sind, nicht mehr passieren“, meint Paulina (16). Zehntklässler Lasse denkt: „Aufklärung und Information sind wichtig, damit die Leute nicht irgendwelche Sachen sagen und verbreiten, die nicht stimmen.“

Wiederholung

„Es geht hier auch um Geschichts- und Erinnerungskultur.“ 

Alexander Maser, Lehrer

Alexander Maser, Lehrer für Deutsch, Geschichte und Ethik, begleitete die Zehntklässler am Aktionstag. Für das Engagement der drei Referenten war Maser voller Anerkennung. „Ich würde sehr gerne auch in Zukunft mit jeder zehnten Klasse eine solche Veranstaltung machen“, sagt der Pädagoge, um dann zu ergänzen: „Es geht hier auch um Geschichts- und Erinnerungskultur und das ist sehr, sehr wertvoll für die Schüler. Sie können dadurch darüber nachdenken, dass es nicht selbstverständlich und auch etwas Wertvolles ist, in einer Demokratie zu leben.“


Eva und Frieder Diem und Hubert Sauthoff (Mitte) vom Arbeitskreis ehemalige Synagoge kamen am Aktionstag mit Zehntklässlern ins Gespräch.

Man darf nicht einfach darüber hinweggehen

Seit diesem Schuljahr ist das Hohenlohe-Gymnasium „Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage“. Unter dem Motto „Gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus – Das HGÖ ist bunt“ veranstaltete es seinen ersten Aktionstag. Lehrerin Petra Lauser hat ihn mitorganisiert.

Petra Lauser
Foto: Hachenberg

Wie ist man auf das Thema des Aktionstages gekommen?
Petra Lauser: Wir hatten im Gemeinschaftskundeunterricht über die Aktion „Berlin trägt Kippa“ gesprochen. Ein Schüler berichtete, dass er selbst den Ausspruch „Du Jude“ als Beleidigung unter Jugendlichen schon gehört habe. Auch andere Schüler hatten antisemitische Äußerungen schon hin und wieder mitbekommen. Manche erklärten, dass das gar nicht geht. Andere meinten: „Das ist doch nur Spaß“. Wir haben uns an der Schule überlegt, dass es falsch wäre, darüber einfach hinweg zu gehen – zumal wir seit diesem Schuljahr dem Netzwerk „Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage“ angehören. Und daran ist ja ohnehin die Selbstverpflichtung gebunden, einmal pro Schuljahr eine entsprechende Aktion an der Schule durchzuführen.

Wie haben die Lehrer das Thema aufgenommen?
Lauser: Durchaus verschieden. Auf der einen Seite gab es etliche Kollegen, die diesen Tag als wichtig und sinnvoll erachtet haben und gern bereit waren, ihren Fachunterricht passend zum Aktionstag vorzubereiten. Andere waren jetzt zum Schuljahresende, das für Lehrer immer stressig ist, schon ziemlich erschöpft und haben es als anstrengend empfunden, ihre Unterrichtsvorbereitung auf dieses Thema abzustimmen. Wieder andere hatten noch Organisatorisches zu erledigen oder mit Klassen für die letzte Unterrichtsstunde bereits anderes verabredet. Und natürlich gab es immer noch jene Kollegen, die nicht zugestimmt hatten, dass das HGÖ „Schule gegen Rassismus“ wird.

Wie geht man zum Beispiel mit dem Thema im Matheunterricht um? 

Lauser: Meine Kollegin Doris Pilger hat mir erzählt, dass sie vom Mathe-Thema „Statistik“ den Bogen zum Thema geschlagen hat. Zunächst haben die Schüler Ja/Nein- Fragen beantwortet wie „Hast du Eltern, die nicht in Deutschland geboren sind?“ oder „Bist du Helene-Fischer-Fan?“ Die Antworten wurden erst mengenmäßig, dann statistisch erfasst. Danach haben die Schüler über die Wahrscheinlichkeit von Ausgrenzung aufgrund solcher Unterschiede diskutiert. Toll fand ich persönlich auch, wie Kim Fändrich ihren Englischunterricht in der Kursstufe gestaltet hat: Hier haben Schüler in englischer Sprache Rollenspiele durchgeführt, bei denen es gezielt um Stereotypisierung aufgrund äußerer Merkmale ging. Sie haben danach reflektiert, inwieweit sie sich selbst durch Stereotype leiten lassen, auch im Alltag.

Ganz kurz: Wie ist die vorläufige Resonanz von Schülern und Lehrern?

Lauser: Die Mehrheit fand’s gut, denke ich. Manche haben den Aktionstag aber wohl auch ignoriert. Ich selbst war bei der Veranstaltung mit Herrn Rößler dabei und fand die sehr spannend. Die Schüler, die hier dabei waren, schienen ebenfalls sehr interessiert und hatten auch einige Fragen. Anschließend haben sie noch einen Ausstellungsbeitrag „Juden am HGÖ“ gestaltet. Sehr beeindruckt hat sie auch die Schulordnung von 1554 und die Erkenntnis, dass sie eines der ältesten Gymnasien Deutschlands besuchen. hk


Arbeitskreis ehemalige Synagoge

Im Sommer 2016 hat sich der Arbeitskreis ehemalige Synagoge Öhringen dem bundesweiten Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ als regionale Arbeitsgruppe Hohenlohe-Franken angeschlossen. Der Arbeitskreis möchte unter anderem die Erinnerung an das jüdische Leben in Öhringen und Hohenlohe lebendig halten. Er führt Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen durch, organisiert Lesungen und enga-

giert sich durch öffentliche Aktionen für die Stärkung der Demokratie. Informationen über das Engagement des Arbeitskreises gibt es auf den Internetseiten www.gv-fd-hohenlohe.de und www.juden-in-oehringen.de. Kontakt zur Gruppe ist möglich per E-Mail ehemaligeSynagoge.Oehr@web.de und telefonisch (mobil 016098082318). Der Arbeitskreis freut sich über jede Art von Unterstützung und Mitarbeit. gg

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